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FRITZI - BEING ME

Gastbeiträge II -

Lyrik und kurze Geschichten_______________

Ein Stück Lebensgeschichte

Autobiografie von ©Webmaus

http://www.epidu.de/profil/webmaus/

Grafik: ©suZahu (Text siehe unten)

Es gibt viele Tage in meinem Leben, denen ein besonderer Stellenwert zukommt: Da wären die Stunden, in denen mein Mann und ich uns näher gekommen sind, die Minuten, in denen wir uns das Jawort gegeben haben, die Sekunden, als meine Kinder das Licht der Welt erblickt haben, und noch unzählige andere kurze oder lange Momente, die uns im Laufe unseres Lebens wichtig erscheinen.

Berichten möchte ich aber von den Monaten, Wochen, Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden, in denen ich meine Mutter bis zu ihrem Tod begleitet habe.

Meine Mutter war noch nicht wirklich alt, als sie ein Herzinfarkt quasi mitten aus ihrem gewohnten Leben riss. Es geschah unerwartet, nur wenige Tage nach einer Geburtstagsfeier für meinen Vater. Sie selbst fand sich mitten in der Nacht auf dem Badezimmerfußboden wieder. Sie schleppte sich zum Bett und weckte meinen Vater auf und mit dem Notarzt begab sie sich auf ihre Fahrt ins Krankenhaus, der noch viele weitere folgen sollten.

Sie erholte sich unerwartet schnell, aber bei einer Nachsorgeunter-suchung wurde einige Zeit später Bronchialtumor festgestellt, dessen Metastasen sich schon in ihrem Körper breitgemacht hatten.

Doch meine Mutter hatte beschlossen zu kämpfen.

Kurz nach der ersten Chemotherapie saß sie auf meinem geschlossenen Klodeckel und nötigte mich, die letzten Haarbüschel von ihrem Kopf zu rasieren. Ich kann mich gut erinnern, dass mir die dicken Tränen die Wangen herunterliefen, aber ich fand, ich sei es ihr, die mir früher mein Haar zu Zöpfen geflochten hatte, schuldig. Doch das sollte nur die erste schmerzhafte Etappe auf ihrem langen Weg aus diesem Leben hinaus sein. Die Berg- und Talfahrten unserer Gefühle machen mir die Kehle noch heute eng, wenn ich daran denke. Bestrahlung und Chemo wechselten sich ab - kurze Zeit sah es aus, als würden die Therapien den Krebs beeinflussen, aber der nächste Dämpfer folgte garantiert - und jede neue Prognose war schlechter als die vorangegangene.

Meist nahmen die gesunden Zellen mehr Schaden durch die Medikamente als die kranken. Die Blutwerte machten viele Transfusionen nötig und meine Mutter tat sich immer schwerer damit, das Blut anderer unbekannter Menschen in sich zu haben, auch wenn es ihr danach körperlich besser ging. Sie selbst schien der Überzeugung zu sein, dass die Seele der Spender auch ihren Anteil an dem roten Saft hatte - und bis heute kann ich das nicht schlüssig widerlegen.

Das letzte Weihnachtsfest war ein Meilenstein auf der letzten Wegstrecke. Monate zuvor hatte sie jede Minute, die sie aufrecht sitzend verbringen konnte, mit dem Verfassen und Tippen von Texten aus ihrer - und somit meiner - Familiengeschichte zugebracht. Es war ein umfangreiches Werk, das dabei herauskam, und sie ließ es kurz vorm Fest in einer Buchbinderei für jedes ihrer fünf Enkelkinder zu einem eigenen Buch binden. Dieses Buch ist mehr als eine reine Familienchronik, denn es ist gespickt mit Anekdoten vom Aufwachsen der Kinder. Der Hin- und Rücktransport der Manuskripte sollte auch einer der letzten Wege sein, die meine Mutter alleine mit dem Auto zurücklegte.

Die guten Tage wurden immer weniger. Oft lag ich nachmittags neben ihr auf der Bettseite meines Vaters und las ihr aus Romanen vor, wenn es ihr schwerfiel, das Buch zu halten. Unser letztes Buch habe ich heute - drei Jahre nach ihrem Tod - noch nicht zu Ende lesen können. Ich bleibe einfach an der Stelle hängen, bis zu der wir gekommen sind.

Aber ich muss nun einen kleinen Zeitsprung machen. In ihrem letzten Frühling verkündete sie, dass sie jegliche Art von Therapie ablehnen werde. All das müsse irgendwann ein Ende haben. Trotzdem machte sie nicht den Eindruck, als hätte sie den Kampf aufgegeben. Sie wollte nur nicht mehr ihre Kraft verschwenden. Vielleicht hatte sie gehofft, die bleibende Zeit besser für sich nutzen zu können. Leider gelang ihr das nicht, denn monatelang ging es nun zwischen Krankenhaus und zuhause hin und her. Ihr Körper versagte häppchenweise den Dienst und sie war für die einfachsten Verrichtungen auf unsere Hilfe angewiesen. Inzwischen hatte mein Vater sich zum perfekten Hausmann entwickelt. Ich kümmerte mich um die Pflege meiner Mutter, da, wo sie notgedrungen Hilfe in Anspruch nahm.

Wir lagen wieder einmal auf dem Bett - mit dem erwähnten Buch befasst, dessen Titel "Das geheime Labyrinth" lautet. Zwischendurch planten wir einen gemeinsamen Ausflug an einem der kommenden Tage. Es sollte ein schöner Herbst werden und mit dem Rollstuhl hätte sie die Familie auf diesem Ausflug begleiten können. Am darauffolgenden Tag aber ging es ihr so schlecht, dass wir sie wieder ins Krankenhaus bringen mussten.

Den Ausflug machten wir also ohne meine Eltern und als wir am Abend zurückkamen, riet mein Vater mir, noch einmal ins Krankenhaus zu fahren. Ich merkte es schon, als ich das Zimmer betrat, aber wahrhaben wollte ich es nicht. Erst als der Arzt mich hinaus bat und mir sagte, dass mit ihrem baldigen Tod zu rechnen sei, konnte ich es nicht verdrängen.

Es ist mir schwergefallen, in den nächsten zwei Tagen diesen Abschied zu vollziehen - war doch eigentlich alles zwischen uns gesagt - jeder Dank und jede noch offene Entschuldigung ausgesprochen. Da war nur noch eine spürbare Liebe im Raum, die mich davon abhielt, meine Mutter allein zu lassen, auch als sie nicht mehr reden konnte.

Ein befreundeter Pfarrer kam an ihrem letzten Lebensmorgen und feierte mit uns das Wort Gottes. Und ich fühlte Gottes Gegenwart mehr als je zuvor in meinem Leben - alle Kerzen, die ich seit Beginn der Krankheit mit meinen Gebeten entzündet hatte, schienen sich zu einem großen Licht zusammengefügt zu haben.

In ihren letzten Minuten jedoch war ich nicht bei meiner Mutter - nur kurz hatte ich mich entfernt und bereue bis heute, dass ich nicht ihre Hand gehalten habe. Aber vielleicht liegt auch darin ein tiefer Sinn. Vielleicht musste ich gehen, um sie gehen zu lassen. Und als ich zurückkam, blieb noch die Gelegenheit zu spüren, dass ihre Seele ganz langsam gegangen war. Ganz langsam - um uns alle, die wir uns um sie versammelt hatten, noch einmal zu streicheln, bevor sie dann endgültig fort ging.

Ich habe vieles von meiner Mutter gelernt. Zu behaupten, sie hätte mich das Schreiben gelehrt, wäre zu einfach. Aber die Liebe zum geschriebenen Wort teilen wir bis heute und so ist besonders meine Mutter dafür verantwortlich, wenn ich sie und ihren Weg in diesen wenigen Zeilen zu beschreiben versucht habe.

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Aus den Tiefen

einer Nacht

erwacht.

Müde noch

und doch

ein neuer Wind, frische Luft

und weg ist die Kluft.

Zwischen Tränen und Sorgen.

Gefühle wollen gelebt sein.

Wir können sie uns nicht borgen.

Blutschweiß und klebriges Übergeben

scheint nur im Dunkeln verwegen.

Bei Licht betrachtet ist es das,

was uns lebendiger,

als alles Andere sein lässt.

Das Schütteln und Bibbern

lässt dich erzittern.

Der Pulsschlag

scheint keine Grenzen zu kennen.

Wir müssen klein beigeben,

demütig alles umbenennen.

Zwischen Trauer und Sehnsucht,

Verzweiflung und dem Sinn

hängt ein Bild.

Es zu beschreiben wäre nicht möglich,

nur das Singen erklingt fast göttlich

und das, was verband,

nie entschwand.

Fühl mich, wie verbrannt,

doch dann ist sie weg

die Wand

zwischen Tränen und Sorgen,

denn es wartet ein Morgen.

Ein Blick in die See,

die Tiefe erkannt,

verband mich der Sturm

der fliegenden Träume

und Schäume der Angst

wurden gebannt.

Die Tiefsee und das Meer,

noch so algenschwer

sind eine Wesensart,

die gepaart mit Mut

zur Sonne im Herzen

alles belebt

und über Schmerzen wacht.

Lyrik und Grafik: suZahu

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